Ein Flug nach Warschau

Das war vor etwa zehn Jahren. Ja, damals habe ich mich darüber aufgeregt, dass über Polen entweder gar nicht, oder nur oberflächlich berichtet wurde. Heute würde ich mich darüber freuen…

Ein normaler Tag. Ich sitze in der Lounge eines internationalen Flughafens und warte bei einer Tasse Kaffee und einem guten Buch auf meinen Flug. „Ist der Platz frei?“ fragt eine männliche Stimme – aber sicher, bitte schön – antworte ich höflich und widme mich wieder meinem Buch.

Irgendetwas fängt an meine Konzentration zu stören. Mein Blick wandert immer wieder für einen kurzen Moment in die Richtung meines Sitznachbars… immer und immer wieder…. Gedanken fangen an zu kreisen: woher kennst du diesen Mann? Ist der ein Kunde, ein Lieferant, vielleicht jemand, den du auf der Messe kennengelernt hast? Ich versuche es weiter zu lesen was mir sehr schwer gelingt. Die Stimme ertönt noch einmal und ich kann es nicht einordnen, aber diese Stimme kenne ich… „Entschuldigen Sie bitte“ sagt der Mann neben mir und lächelt sehr freundlich. Ja, bitte – antworte ich und sehe den Mann an – „Ihnen kommt es vor, als wenn wir uns kennen würden?“ Ja, antworte ich lächelnd – kennen wir uns? „Nein, wir kennen uns nicht, es ist aber sehr wahrscheinlich, dass Sie mich kennen“ antwortet er und stellt sich höflich vor, was ich ebenso höflich erwidere.

Der Kaffee schmeckt nicht, aber ich kann mich wieder auf mein Buch konzentrieren – das ist gut. Ich machte mir so viele Gedanken. Es ist einfach ein Journalist. Ok, den kennt man, aber eben nur ein Journalist. Ein „Auf Wiedersehen und einen guten Flug“ höre ich von nebenan – danke, sage ich – Ihnen auch – und lese noch ein Moment weiter, habe nach eine Viertelstunde bis zum Check in.

Passkontrolle, Check in, sich am Fenster hinsetzen, anschnallen, Buch herausnehmen, weiter lesen über den Wolken. Ein herzliches Lachen ertönt neben mir „Das finde ich jetzt aber nett. Wie es aussieht, werden wir den Flug zusammen verbringen“ – ich fange auch an zu lachen – da ist er wieder, der Journalist.

Während des 1,5 stündigen Fluges unterhalten wir uns über viele verschiedene Themen. Die Geschichten, die mein Sitznachbar erzählt sind zum Teil sehr amüsant und als langjähriger Auslandskorrespondent, kennt er auch einige Storys. Wir springen von einem Thema auf ein anderes, bis wir irgendwann auf das Thema Berichterstattung über Polen kommen…. ob das so gut war, keine Ahnung, aber in diesem Moment kam sie wieder – meine große Klappe: ich muss ganz ehrlich sagen, die Berichterstattung über Polen ist, sagen wir, gewöhnungsbedürftig. Es werden permanent nur schöne Landschaften in Masuren, abgelegene Dörfer im Süden oder Pferdekarren in Bieszczady gezeigt, als wenn Polen ein Freilichtmuseum wäre – platzte aus mir heraus – wenn über andere Nachbarländer berichtet wird, dann wird auch Kultur und überhaupt – das Leben gezeigt, nur über Polen berichtet man als wenn es immer noch im XIX Jahrhundert stecken geblieben wäre. Es wurde still, nur das Motorengeräusch des Flugzeuges war zu hören….. „Wenn Sie das sagen… Es könnte stimmen, ich kann es zumindest nicht widerlegen.“ – sagte mein Sitznachbar und fuhr fort „Ich kenne Polen nicht gut genug. Das ist nicht mein Schwerpunkt in der Berichterstattung. Ich frage meine Kolleginnen und Kollegen in Warschau. Ich bin gespannt, wie die das sehen.“ – sagte er und lächelte mich nachdenklich an.

„Wir bitten alle Passagiere angeschnallt zu bleiben, bis wir die endgültige Parkposition erreicht haben.“ – ertönt aus den Lautsprechern.

Der Journalist bedankt sich für das Gespräch und wünscht mir einen angenehmen Tag – dito, antwortete ich und fange an meine Sachen zusammen zu packen. Die Sonne scheint, es ist kalt, in einer Stunde fängt meine Präsentation an.

Das war vor etwa zehn Jahren. Ja, damals habe ich mich darüber aufgeregt, dass über Polen entweder gar nicht, oder nur oberflächlich berichtet wurde. Heute würde ich mich darüber freuen…

Marzanna Die

Letzte Aktualisierung 14.01.2017

Erste Veröffentlichung 18.05.2016 auf democracyok.org

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