Ich habe mal ein sehr schöner Satz gelesen: „Fremde, das sind Freunde, die man nur noch kennen lernen muss.“ – das ist die richtige und auch meine Einstellung.
In meinem Artikel „Wir und Die“ habe ich bereits einiges über meine Einstellung zum Zusammenleben verschiedener Menschen geschrieben. Es gibt noch eine ganze Reihe von Situationen und Ereignissen, die ich beschreiben könnte und die darüber ein Zeugnis ablegen, dass Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen nicht anders sind als wir. Dass die Mehrheit dieser Menschen nichts anderes will, als normal zu leben, arbeiten, eine Familie haben.
Meine Arbeitskollegin, eine Türkin, hat vor kurzem ein Baby bekommen. Obwohl sie jetzt im Mutterschaftsurlaub ist, hat sie sich auf den Weg gemacht und uns in der Firma mit ihrem Baby besucht. Eine stolze, junge Mutter, die Ihr Glück mit der ganzen Welt teilen möchte – kommt ihnen das bekannt vor? Richtig – genauso würden wir es auch machen, allen zeigen: schaut, das ist mein Baby.
Nach einem anstrengenden Tag, voller Termine, Präsentationen, möglicherweise Ärger mit dem Chef, fahre ich nach Hause. Sehr oft an solchen Tagen halte ich an einem Gemüsegeschäft an um was Frisches zu kaufen. Ein bisschen Obst, etwas Gemüse. Der Laden, in dem ich sehr gerne einkaufe wird von einem Iraker geführt. Super frische Ware und ein kurzes Gespräch ist auch immer drin. „Aslama“ „Wie geht´s ihnen?“, „geht´s ihrem Mann besser?“ – er fragt nicht nach den Kindern, er weiß, dass ich keine habe. Ich kann mir mein Frust von der Seele reden und bekomme ein warmes Wort zum Abschied. Seine Frau kommt um die Ecke und gibt mir ein paar selbstgemachte Süßigkeiten – „shukran“, sage ich und „ma as salaama“. Was ist daran anders als bei einem Deutschen oder Polen einzukaufen – vielleicht nur, dass sie noch lange nicht so freundlich sind.
Kurz nach dem Ausbruch der sog. Flüchtlingskrise (ich finde diese Wortverbindung Flüchtlinge und Krise nicht so glücklich) hat eine Kollegin überlegt wie wir helfen könnten. Was könnten wir als normale Menschen tun um zu helfen. Genau das war faszinierend. Nicht sofort darüber nachgedacht – ohaje da kommen so viele Fremde ins Land, das sind Terroristen, die passen nicht zu uns – nein, der erste Gedanke war: wie können wir helfen. Ganz schnell wurde über E-Mail Verteiler ein firmenweiter Aufruf zum Spenden gestartet. Das Unternehmen hat die Idee aufgegriffen und finanzielle Unterstützung in Logistikfragen zugesichert. Wir alle haben Sachspenden gesammelt und die Firma hat dafür gesorgt, dass diese zu den Flüchtlingsheimen oder Hilfsorganisationen transportiert werden – und es kam einiges zusammen.
Ja es gibt auch dunkle Seiten des Zusammenlebens, es gibt Kriminalität, es gibt religiösen Extremismus, es gibt Menschen, die sich partout nicht integrieren wollen, aber sollen wir diese Minderheit – und es ist eine Minderheit – als repräsentativ für ganze Nationen oder Kulturkreise bezeichnen? Meine Antwort lautet: NEIN. Ich bin vor ca. dreißig Jahren nach Deutschland gekommen und habe hier Zeiten erlebt, wo es hieß, dass Polen rückständig ist, dass Polen nur Autos klauen. Der Spruch „kaum gestohlen, schon in Polen“ war damals schon ziemlich präsent. Na und? Hat man mich als Person deswegen nicht respektiert? – doch hat man. Man hat nicht verallgemeinert, nicht alles über einen Kamm geschert, man hat mich aufgenommen und wie einen Menschen behandelt.
Wenn ich mir anschaue, wie die Situation in Polen aussieht, dann bekomme ich Angst. Mein Mann ist ein Deutscher. Er ist immer sehr gerne mit mir nach Polen gefahren und hat Land und Leute lieben und schätzen gelernt. Heute würde ich nicht mehr mit meinem Mann nach Polen fahren, weil ich befürchten muss, dass nur die Tatsache, dass wir uns untereinander auf Deutsch unterhalten schon eine Gefahr für uns beide darstellen würde. Die Mehrheit der Menschen ist gegen die Aufnahme der Flüchtlinge und überhaupt die Einstellung zu Ausländern ist im Land sehr schlecht. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – ein Land, welches vor noch nicht allzu langer Zeit selbst so viele Migranten und Flüchtlinge hervorgebracht hat, will jetzt keine Menschen aufnehmen, die Hilfe brauchen. Ich schäme mich für meine Landsleute. Wenn ich dann noch sehe, wie sich einige Polen hier, oder in anderen Ländern, selbst verhalten, dann werde ich richtig wütend. Wie oft habe ich erlebt, dass in Deutschland lebende Polen nur darauf aus sind, die Staatshilfen zu kassieren, ohne der hiesigen Gesellschaft etwas zurück zu geben? Wie oft habe ich gehört, wie abfällig sich Polen über die Deutschen äußern? Wie oft habe ich erlebt, dass Polen sich hier gar nicht integrieren wollen und sich nur in eigenem, geschlossenem Kreis bewegen – in einer richtigen Subkultur leben. Wie oft habe ich darüber gelesen, wie z.B. hier: „“Czarnuchy“, „ciapaci“, „brudasy“ i „lenie““ (Anglia.Today, Artikel auf Polnisch). Viel zu oft! Ausgerechnet diese Menschen wollen mir sagen, wie sich Flüchtlinge oder Migranten verhalten sollen/müssen? Nein, von solchen Menschen will ich keine Belehrungen, solche Menschen verachte ich, auch wenn es meine Landsleute sind.
Ich habe mal ein sehr schöner Satz gelesen: „Fremde, das sind Freunde, die man nur noch kennen lernen muss.“ – das ist die richtige und auch meine Einstellung.
Marzanna Die
Beitragsbild: pixabay / skeeze
Link zu polnischer Version des Artikels auf Democracy is OK / Link do polskiej wersji artykułu na Democracy is OK W ciemnościach „naszej kultury“ – część druga