Spaziergänge im Netz

Die einfachen Wahrheiten sind bequem, aber gefährlich. Der Masse hinterher zu laufen ist einfacher, als sich eigene Meinung zu bilden und diese zu vertreten.

Es ist schon faszinierend was man alles im Netz so zu lesen bekommt. Manchmal komme ich aus dem Staunen nicht raus. Es geht noch nicht mal um die Artikel in der Presse, oder die Posts in den sozialen Netzwerken, als solches – nein, die Kommentare dazu sind viel interessanter. Und es wird kommentiert auf Teufel kommt raus. Egal, ob schwachsinnig oder trivial, wichtig scheint es nur zu sein überhaupt was zu schreiben. Hauptsache man hat seine drei Groschen dazu getan. In einem persönlichen Gespräch, würde man nie solch ein Blödsinn verzapfen, aber wenn man vor einer Tastatur sitzt, dann schon. Haben wir verlernt erst nachzudenken und sich erst dann zu äußern – oder haben wir es nie gelernt? Wahrscheinlich beides.

Am beliebtesten im Netz sind die ganz kurzen und knappen Kommentare, wie z.B.: „super“, „gratuliere“, „bin dafür“, etc. Fantastisch ist auch, wenn man sich anschaut, wie schnell diese Kommentare auftauchen. Ein Artikel oder Post wird veröffentlicht, man braucht mindestens ein paar Minuten um es zu lesen, aber bereits nach 1-2 Sekunden tauchen schon die wahnsinnig qualifizierten Kommentare auf. Ich frage mich dann, was die Leute so „super“ finden oder „wofür“ sie sind. Geht es um die Veröffentlichung als solches, weil um den Inhalt es nicht gehen kann, oder? Ich habe überhaupt das Gefühl, das Inhalte mittlerweile nicht mehr wichtig sind. Wichtig ist nur „dazu zu gehören“ – egal „wozu“, Hauptsache „dazu“. Hinterfragen, sich eigene Meinung bilden, kritisch zu beleuchten ist nicht mehr en vogue. Es ist nicht so, als wenn das nur im Netz so wäre, das sieht man in vielen Bereichen des Lebens. World Wide Web ist nur eine Plattform, wo das so richtig sichtbar wird.

Sobald es tiefer geht, hintergründiger wird, wird still. Die Kommentare werden weniger. Tja Nachdenken ist anstrengend. Noch anstrengender ist eigene Gedanken in Worte zu fassen und dazu zu stehen. Kritik und andere Meinung auszuhalten. Weitere Argumente für eigene Thesen zu finden, oder möglicherweise eingestehen zu müssen, dass man selbst die Sache doch nicht zu Ende gedacht hat und die Argumentation des Gesprächspartners in sich schlüssiger und logischer ist.

In meinen Spaziergängen im Netz fällt mich aber auch auf, dass es einige Unterschiede gibt. Ich bin zweisprachig, deswegen lese ich sowohl die polnische, wie auch die deutsche bzw. deutschsprachige Presse und bin aktiv in verschiedenen Gruppen in sozialen Netzwerken. Es fällt stark auf, dass auf den polnischen Portalen / Gruppen die Vereinfachungen, Kritiklosigkeit und Beratungsresistenz viel stärker repräsentiert ist, als in den deutschsprachigen. Weiter fällt mir auf, dass es starke Unterschiede hinsichtlich der Qualität der Kommentare gibt in Abhängigkeit davon, ob der Autor in Polen, oder schon länger außerhalb Polens lebt. Könnte das bedeuten, dass sowas wie Diskussionskultur, Kritikfähigkeit oder  Offenheit für Gegenargumente, in Polen kein Stellenwert für sich hat? Diese Frage kann ich nicht abschließend beantworten, aber es sieht danach aus. Ich habe mich oft aufgeregt, dass in Deutschland über alles so viel diskutiert wird. Mittlerweile habe ich gelernt das zu schätzen. Das bedeutet nicht, dass ich jede endlose Debatte begrüße, allerdings habe ich gelernt, dass es besser ist etwas länger zu diskutieren, als einfach nur „dafür“ oder „dagegen“ zu sein.

Die einfachen Wahrheiten sind bequem, aber gefährlich. Der Masse hinterher zu laufen ist einfacher, als sich eigene Meinung zu bilden und diese zu vertreten. Warum? – weil man immer die Verantwortung für das Ergebnis von sich schieben kann. Irgendwo habe ich gelesen, dass ein Mensch alles tun kann was er will, er muss nur bereit sein die Konsequenzen dafür zu tragen. Diese Bereitschaft ist in Polen allerdings nicht weit verbreitet.

Marzanna Die

0 Gedanken zu „Spaziergänge im Netz

  1. Liebe Marzanko, ich teile Deine Beobachtungen voll und ganz. Hinzufügen möchte ich noch, dass unsere Seite der Barikade viel rationaller und kultivierter argumentiert als die Andere. Die Affäre um Mateusz Kijowski herum hat allerdings gezeigt, dass sich auch bei uns unversöhnliche Streithähne befinden. Insgesamt bin ich sicher, dass der Aufenthalt auf FB vielrn Landsleuten in Polen gut tun wird.

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