Wir sollten besonnen – aber auch kritisch – die bisherigen Aktivitäten bewerten. Wir sollten überlegen, was gut und was schlecht gelaufen ist.
Von Weitem höre und lese ich was zurzeit innerhalb der KOD (Komitet Obrony Demokracji, Komitee zur Verteidigung der Demokratie) passiert. Es gibt viele Tendenzen. Es gibt Leute, die unkritisch und ohne zu überlegen hinter dem Leader des Komitees her laufen, egal was er macht oder sagt. Es gibt Leute, die alles was passiert als unterirdisch bezeichnen und die sofortige Absetzung des Leaders fordern. Es gibt Leute, die meinen, dass die Medien die darüber berichten, die Schuld dafür tragen was momentan passiert und es gibt Leute, die in der ganzen Angelegenheit eine Verschwörung der Regierungspartei sehen.
Ich bin kein Fan vom KOD Vorstandsvorsitzenden, wer mich kennt weiß das, wer mich nicht kennt, weiß das spätestens jetzt. Meiner Meinung nach hat der Spitzenmann dieser Bewegung, nicht die erforderlichen Fähigkeiten um eine Bürgerbewegung zu führen. Das war schon immer meine Meinung und diese hat sich bis heute nicht geändert. Das bedeutet aber nicht, dass er nichts getan hat. Selbstverständlich hat er was getan, er hat sogar sehr viel getan, weil aus seiner Idee diese ganze Bewegung überhaupt entstanden ist – das soll man zu schätzen wissen, das sollte entsprechend gewürdigt werden – das steht einfach für sich. Und jetzt kommt mein „aber” – aber um, so eine Bewegung zu führen sind einige Charaktereigenschaften zwingend notwendig und nicht jeder Mensch hat sie. Das ist per se weder negativ noch positiv. Es ist einfach so und es wird nie anders werden. Jeder von uns hat seine Stärken und Schwächen. Wichtig wäre es allerdings, diese Stärken und Schwächen selbst zu kennen. Man sollte wissen was man kann, und was nicht. Hier liegt meiner Meinung nach der Kern des Problems. Der heutige KOD-Leader hat eine Aufgabe übernommen, die seine Möglichkeiten bei Weitem übersteigt. Er hat mit Sicherheit viele Fähigkeiten und positive Eigenschaften, die für diese Bewegung wichtig sind und sowohl heute, wie auch in der Zukunft gebraucht werden – das steht außer Frage – aber es sind nicht zwangsläufig diejenigen, die ein Mann an der Spitze braucht. Er muss einen Platz in dieser Bürgerbewegung haben, das ist klar, aber nicht unbedingt diese Bewegung führen. Warum? Nun, ein Chef, Leader, Spitzenmann, wie man diese Person auch nennen mag und egal wo so eine Person tätig ist, in einer Partei, einem NGO oder als Manager in einem Unternehmen – diese Person muss mindesten folgende Fähigkeiten besitzen:
- In der Lage sein ein gutes Team um sich zu bilden. Ein Team mit Leuten, die Fachkompetenzen besitzen und dadurch in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben bestmöglich zu erledigen.
- Seinen Leuten die Möglichkeit geben, ihr Tun auch nach Außen zu präsentieren, und somit auch zu repräsentieren.
- Immer einen „Plan B” haben und langfristig Denken.
- Die Fähigkeit haben Kompetenzen zu delegieren. Auf der anderen Seite aber bereit sein die Verantwortung für das Tun seiner Leute selbst zu übernehmen.
- Die Fähigkeit gute Berater auszuwählen und bereit sein auf deren Rat zu hören, zu überlegen und erst dann agieren.
- Seine Leute mitziehen können, nicht nur dadurch was er tut, aber auch dadurch „was” und „wie” er es kommuniziert.
- Alles was ein Leader macht und was mit seiner Tätigkeit zu tun hat, muss transparent sein.
Genau diese Fähigkeiten hat der KOD-Spitzenmann meiner Meinung nach nicht.
Begründung:
Zu 1): Wenn die Leute, die die entsprechende Aufgaben bei KOD übernommen haben, nichts über diese Abrechnungen gewusst haben, dann sind ihre Fachkompetenzen in höchstem Maße fraglich.
Zu 2): Alles was von KOD gemacht wurde, hat nur der Spitzenmann nach Außen repräsentiert – es gab keine anderen Gesichter und wenn doch, dann nur marginal.
Zu 3): Aus dem was ich beobachtet habe, schien es mir, dass alles was KOD gemacht hat lediglich eine Reaktion auf aktuelle Ereignisse war und nicht auf einem langfristigen Plan basierte – es könnte allerdings auch sein, dass ich mich in diesem Punkt irre.
Zu 4): Kompetenzen wurden sicherlich abgegeben, aber ob an die richtigen Personen? Dies bleibt fraglich. Weitere Frage ist, ob der Leader bereit ist die Verantwortung für die Fehler, die passiert sind, zu übernehmen. Das wird die Zukunft zeigen, aber die zurzeit von ihm in den Medien getroffen Aussagen lassen das nicht vermuten.
Zu 5): Gute Berater scheinen nicht in Sicht zu sein. Wenn ich die Reaktionen des Spitzenmannes auf die heutige Situation sehe, dann habe ich den Eindruck, dass es bei KOD entweder keine Berater gibt, oder nur grottenschlechte. In einer politisch und medial so sensiblen Situation wie der heutigen, kann man nicht mehr Fehler machen, wie in den letzten Tagen gemacht worden sind – hier denke ich vor allem an die Interviews, die der Leader den Medien gegeben hat. Diese Interviews waren leider unvorbereitet, unüberlegt, und haben den Medien erst eine Grundlage geliefert, ja sie haben den Medien sogar keine andere Wahl gelassen, so und nicht anders über diese interne Krise zu berichten.
Zu 6): Was der Leader sagt, ist des Öfteren widersprüchlich. Heute das, morgen was anderes. Ein gutes Beispiel dafür ist u.a. das hin und her in Bezug auf die Frage der Frauenrechte. Das „wie” es kommuniziert wird, lässt ebenfalls einiges zu wünschen übrig. Ruhig und besonnen – sagen die Einen. Langweilig – sagen die Anderen. Unverbindlich – sage ich.
Zu 7): Die mangelnde Transparenz ist – wie sich herausgestellt hat – das größte Problem. Hier geht es nicht darum, dass die Firma des KOD-Leaders den Betrieb und Support der Internetseite übernommen und entsprechend abgerechnet hat. Das ist nicht ausschlaggebend. Meiner Meinung nach ist es sogar sehr wichtig, dass ein so sensibler Bereich, wie die Sicherheit einer Internetseite von Fachleuten gemacht wird. Ob das die Firma des KOD Vorstandsvorsitzenden hätte sein müssen, ist eine andere Frage. Vielleicht ja, vielleicht nicht. Das Problem liegt darin, dass dies nicht von Anfang an offen kommuniziert wurde. Ob der Leader daran selbst verdient hat, oder nicht – das ist auch nur eine Nebensache. Niemand lebt nur von Luft und Liebe, aber das hätte offen gesagt werden müssen. Ich bin der Meinung, dass keine vernunftgeleiteten Personen damit auch nur irgendein Problem gehabt hätten. Aber nun gibt es ein Problem. Ein Problem mit der Glaubwürdigkeit. Es wurde gebetsmühlenartig wiederholt, dass alles was gemacht wird, im Rahmen eines Volontariats stattfindet. Jetzt stellt sich aber heraus, dass es doch anders war. Ich betone noch einmal: allein die Tatsache, dass bestimmte Dienstleistungen abgerechnet und bezahlt wurden, stellt aus meiner Sicht kein Problem dar. Problematisch ist das „wie” alles ablief – und nicht das „was” abgelaufen ist.
Resümee
Unkritische und uneingeschränkte Unterstützung des Leaders ist nicht zielführend. Wenn aus der heutigen Situation keine Lehren gezogen werden, dann wird nach meinem Empfinden diese Bewegung früher oder später zu Grunde gehen. Leider.
Unüberlegtes Handeln und die sofortige Absetzung des Spitzenmannes würden allerdings auch zu nichts führen – weil solche Schnellschüsse fast nie ein gutes Ende nehmen.
Die Medien dafür verantwortlich zu machen was jetzt innerhalb der Bürgerbewegung passiert, ist lächerlich. Medien berichten nur über das, was tatsächlich passiert, und sollten natürlich auch weiterhin darüber berichten. Grundlage für die kürzlich gebrachten Medienberichte über KOD hat aber die Bewegung selber geliefert, bzw. ihr Spitzenmann. Ursache und Wirkung sollten hierbei nicht verwechselt werden.
Die Theorie von der PiS-Verschwörung – ich flehe euch an Leute: es gibt zurzeit so viele Verschwörungstheorien, wir brauchen wirklich nicht noch eine weitere.
Wir sollten besonnen – aber auch kritisch – die bisherigen Aktivitäten bewerten. Wir sollten überlegen, was gut und was schlecht gelaufen ist. Geben wir dem Leader ein bisschen Zeit, darüber zu reflektieren, und sich Gedanken – auch kritische – über die eigenen Stärken und Schwächen zu machen. Ich hoffe sehr, er wird es tun. Geben wir dem ganzen Vorstand die Zeit dafür. Parallel dazu wäre sehr gut, wenn sich der Leader bzw. der Vorstand einen guten PR Manager, (erfahren im Management von Krisensituationen) sucht, ihn verpflichtet, und zukünftig auch auf seinen Rat hört – dafür sollten sich auch finanzielle Mittel finden, das wäre wirklich wichtig. Warten wir die Ergebnisse der Revisionskommission ab und hören wir endlich auf sich vorzumachen, dass alles durch unbezahlte Freiwillige gemacht werden kann. Es werden Fachleute in vielen Bereichen benötigt – und Fachleute muss man auch bezahlen, wenn man gute haben will – das ist aber auch ok so. Wir sollten auch aufhören einem Mann blind hinterher zu laufen. Er ist nicht „der Einzige” und auch nicht heilig… Niemand von uns ist heilig, weil wir alle nur Menschen sind, Menschen mit Stärken aber auch Schwächen. Wir sollten lernen kritischen Menschen zuzuhören, möglicherweise haben die doch hin und wieder Recht mit ihrer Kritik… Wir sollten ihre Argumentation öfter gründlich überdenken und eigene Schlüsse daraus ziehen. Wir sollten die Tatsachen beim Namen nennen, auch die unbequemen: geradeaus, klar, und ohne Ausflüchte und Ausreden.
Ich bin weiterhin kein großer Fan vom KOD-Leader. Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass die momentane Situation für Ihn eine große Chance sein kann. Eine Chance seinen Platz innerhalb dieser Bürgerbewegung zu finden. Ob dieser Platz an der Spitze ist – das lasse ich offen.
Marzanna Die
Beobachterin aus der Ferne
Polnische Version des Artikels ist erschienen auf Democracy is OK Początek roku, dalszy ciąg zgrzytów
Zu deinen Punkten 1, 4 und 5: Mateusz Kijowski und KOD hatten durchaus einige Berater, auch sehr gute und intelligente Menschen, ob Persönlichkeiten, oder einfach KOD-Mitglieder oder Sympathisanten mit guten Ideen. Leider liegt es eben an der Eigenschaft von Kijowski, daß er durch seine Unfähigkeit, ZUZUHÖREN, sich zu neuen Ideen zu öffnen, viele dieser Leute und Ideen/Konzepte nicht zuließ und sie demotiviert und abgestossen hatte. Das sage ich aus eigener Erfahrung, das sagen viele weiterhin engagierte andere KOD-Aktivisten, die ähnliches erlebt hatten.
Leider ist auch der Rest des KOD-Vorstandes kaum professioneller gewesen. Was kein Vorwurf ist – denn alle haben als „normale Bürger“ dabei angefangen. Aber Kijowski hatte dadurch zu wenig (oder zu spät) kritische Stimmen in KOD – und nun scheint er in seine Blase und Sturrheit noch verschlossener und unerreichbar für Ratschläge und konstruktive, gut gemeinte Kritik.
Zu Pkt. PR: KOD und Kijowski hatten bis Juni 2016 eine sehr gute Beraterin, Beata Kolis, ehem. TVP-Mitarbeiterin. Wirklich ein Profi, dank ihr wurde die s.g. „Mail-Affäre“ (Hacker haben ein altes Email-Konto von Kijowski geknackt und dort angeblich Kinderpornografie gefunden) sehr professionell sowohl gehandhabt, wie auch geklärt. Leider ist Beata schwer erkrankt und Anfang August 2016 verstorben – und solche Leute sind doch manchmal kaum ersetzbar.
Resümee: Ich denke, Kijowski hat viel geleistet, und dabei einige wenige, doch verhängnissvolle Fehler begangen. Er ist dennoch für KOD und Polen wichtig. Ideal wäre es, wenn er 1-2 Schritte zurückgehen würde: kein Vorsitzender, aber im Vorstand oder wichtige Stimme im „Rat der Regionen“ des KOD. Damit bliebe er als „Gesicht“ erhalten, würde die Bewegung nicht spalten – aber FÜHREN kann er KOD nicht mehr.
Abgesehen davon bin ich sehr allergisch, wenn wir Polen immer wieder einen „Führer“ (ich nehme absichtlich das dt. Wort!) wünschen. KOD sollte dezentral organisiert werden, das wäre eine Stärke – keine Schwäche! – gerade im Kampf gegen eine strikt hierarchisch aufgebaute Partei wie PiS und einen autoritär agierenden Staat. Denn ansonsten – wie wir sehen – reicht es „den Kopf“ zu beschädigen, und der ganze Körper wackelt…
Leider glaube ich nicht mehr daran, dass meine lieben Landsleute in der Lage sind sich dezentral zu organisieren und auf dieser Basis zu handeln. Ich sehe leider viel zu starke Fixierung auf den einen Lead, koste was es wolle.