Ein etwas andere Roman

Der Roman „Klatki“ von Jacek Kozik ist eine mutige Geschichte mit gewöhnlichen und doch irgendwie ungewöhnlichen Protagonisten. Ein Buch für alle, die keine Angst haben eigenständig zu denken, zu hinterfragen und die anerzogenen Denkmuster zu verlassen.

Der Roman „Klatki“ von Jacek Kozik ist mir mehr oder weniger zufällig in die Hände gefallen.  Eigentlich lese ich keine Romane und seit fast dreißig Jahren, schon gar keine auf Polnisch. Vielleicht auch deswegen stand ich anfangs auf dem Kriegsfuß mit dem Buch. Ich fing immer wieder an zu lesen, legte es aber nach ein paar Kapiteln zurück ins Bücherregal. Das ging so lange bis ich eines Abends doch ein bisschen weiter gelesen habe und zu der Stelle gelangt bin, wo die Gespräche der Protagonisten anfangen. Ab diesem Moment wurde sehr interessant.

Der Titel „Klatki“ – wörtlich zu übersetzten mit „Käfige“ – ist für einen deutschen Leser ein Wenig irritierend. Ich würde das Wort „Gefangen“ bevorzugen – das trifft den Grundgedanken des Buches im deutschsprachigen Raum viel besser.

Ein Roman und doch kein Roman im klassischen Sinne. Eine Erzählung – nein, eine Auseinandersetzung mit einigen der wichtigsten und ältesten Themen überhaupt: der Gott, der Glaube, die Menschen und Ich – im Gewand eines Romans. Eine Geschichte aus dem Leben, in der verschiedene Charaktere und Mentalitäten aufeinander prallen. Zum Teil werden die Unterschiede durch das Tun der Personen aufgezeigt und zum Teil dadurch herausgearbeitet, was und wie sie es erzählen. Eine interessante Mischung aus direkten Dialogen und der Sprache der Bilder und Metapher.

Maciek – die männliche Hauptfigur – ist ein Mann der leicht aneckt und sich in seiner Umgebung schneller Feinde als Freunde macht. Deswegen wird es wohl manch einem Leser sicherlich schwer fallen sich mit ihm anzufreunden. Maciek kommt in eine Auslandsvertretung, wo seine Frau eine gute Anstellung bekommen hat und findet sich in einer Realität wieder, mit der er nichts anfangen kann. Er – ein Philosoph, Soziologe – soll jetzt buchhalterische Aufgaben erledigen. Das ist so gar nicht seine Welt. Um nicht zu verzweifeln, hat er aber vorgesorgt und hat ein Teil seiner Welt in einem Koffer mitgenommen. Ein Koffer voller Bücher, von Norman Davies, Daniel C. Dennett, Albert Camus, Richard Dawkins, Homer, Roger Penrose und, und, und…

Der Zufall bringt zwei vollkommen unterschiedliche Charaktere zusammen. Eine Frau (Martyna, die weibliche Hauptfigur) – intelligent, neugierig, ziemlich naiv – fühlt aber instinktiv, dass IN Ihr und UM Sie herum etwas nicht stimmt und ein Mann – selbstbewusst, gebildet, unbequem und auf eine gewisse Weise befremdlich wirkend – treffen sich und fangen an über verschiedene Themen zu diskutieren. Sehr schnell kommt das Thema Glaube ins Spiel. Es prallen zwei Welten aufeinander: Sie – katholisch erzogen, hat bis jetzt alles in Bezug auf Gott und Glaube ohne zu reflektieren einfach übernommen. Er – ein Wissenschaftler, ein Philosoph, der in dieser Hinsicht bereits alles hinterfragt hat. In der Welt von Maciek gibt kein Platz für Mythen, sondern nur für Fakten und Analytik.

Unterschiedlicher könnten die Protagonisten nicht sein. Unterschiedlicher könnten ihre Ansichten und Überzeugungen nicht sein. Unterschiedlicher könnten ihre Perspektiven nicht sein. Aber genau das macht diese Figuren und damit auch das Buch so interessant. Die Charaktere prägen sehr stark den Verlauf der Gespräche und verleihen ihnen eine enorme Emotionalität und Kraft. Martyna ist gefangen in einer Welt von nicht gestellten Fragen und real existierenden Gegensätzen: Verstand vs. Glaube; Logik und Analytik vs. Tradition und Erziehung; Fakten vs. Mythen. Maciek ist ein Fels in der Brandung und erklärt ihr mit stoischer Ruhe und Geduld, immer wieder aufs Neue, seine Sichtweisen und Überzeugungen, untermauert mit Fakten, Wissen und logischen Schlussfolgerungen. Die junge Studentin fängt an zu überlegen, nachzudenken, zu hinterfragen, ihre anerzogenen Ansichten zu relativieren. Schritt für Schritt verlässt Sie die eingefahrenen Wege auf denen sie sich unterbewusst noch nie ganz wohl gefühlt hat und begibt sich in die Freiheit. Freiheit des selbständigen Denkens, des Wissens, des Hinterfragens, der Logik. Maciek führt ihr vor Augen, dass vieles, sehr vieles davon was Sie denkt und wie Sie sich verhält, nichts mit ihrer eigentlichen Persönlichkeit zu tun hat, sondern nur damit, wie sie erzogen wurde – katholisch, gläubig, traditionell.

Die Diskussionen der Protagonisten bilden den eigentlichen Inhalt und die Kernaussage des Buches. Alles andere stellt nur den Rahmen für die Auseinandersetzung mit Glauben, Gott, Religion, Erziehung und deren Einfluss auf das Denken und Handeln von Menschen dar. Der Rahmen ist allerdings nicht ganz unwichtig, weil durch die kleinen, zum Teil auch amüsanten Geschichten aus dem Leben einer Auslandsvertretung, der Leser auf eine sehr angenehme Weise an das Buch gefesselt wird.

Faszinierende Gespräche, die dem Leser die Heuchelei der Kirche und der Religion schonungslos vorführen und aufzeigen, dass eine Welt ohne Glauben durchaus möglich ist. Die Theorie über Existenz Gottes wird mit historischen Fakten und wissenschaftlichen Belegen schonungslos zum Fall gebracht – schonungslos, aber nicht respektlos und auf eine Weise, die den Leser zum Nachdenken zwingt.

„Ein Mensch, der sich beleidigt fühlt, nur weil du eine andere Einstellung zum Glauben hast, muss sich seines Glaubens sehr unsicher sein.“ [„Klatki“ Jacek Kozik, Übersetzung Marzanna Die]

Das Buch hat einen großen Potenzial Leser zu erreichen, die nie ein Fachbuch in die Hand nehmen werden und denen aufzuzeigen, was eine Indoktrination – welcher Art auch immer – für Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Lebens haben kann und meistens auch hat. Es wird argumentiert, Fragen werden gestellt, historische Fakten und wissenschaftliche Belege präsentiert, aber der Leser wird nicht belehrt. Viele Fragen werden gestellt aber noch lange nicht alle beantwortet – das ist auch beabsichtigt. Auf einige Fragen soll der Leser selbst, die ganz persönlichen Antworten, suchen und finden.

Auf mehreren Ebnen geschrieben, führt das Buch den Leser in und durch verschiedene Welten. „Das normale Leben“ – dargestellt innerhalb einer Auslandsvertretung, allerdings übertragbar auf viele andere Plätze des Lebens, somit für jeden nachvollziehbar und vertraut. „Die Gespräche der Protagonisten“ – spielen sich innerhalb einer Auslandsvertretung ab, bilden aber einen eigenen geschlossenen Raum, zu dem nur die Hauptpersonen und die Leser Zutritt haben. „Das Heft“ mit kurzen, knappen, hin und wieder amüsanten Notizen aus der Gedanken- und Gefühlswelt der jungen Studentin, ist eine willkommene Abwechslung und bietet eine Möglichkeit ein wenig abzuschalten. Und nicht  zu Letzt sind da noch die  gedanklichen Ausflüge Maciek´s in die eigene Vergangenheit und in die Tiefen eigener Persönlichkeit, die vieles erklären aber nichts verraten. Das Buch ist spannend, lehrreich, irgendwie vertraut und doch ganz anders als die meisten Romane, die ich gelesen habe.

Der Roman ist leider nur auf dem polnischen Markt und in polnischer Sprache erhältlich, was die Verbreitung des Buches und seines Grundgedankens nicht unbedingt einfacher macht. Angesichts des starken Einflusses der erzkonservativen polnischen Kirche auf die heutige Politik des Landes, ist auch sehr schwierig, bis unmöglich das Buch in den Regalen der polnischen Buchläden zu platzieren. Ich würde mir wünschen, dass sich ein Verlag in Ausland findet, der eine Übersetzung in Auftrag gibt und das Buch auf einem westlichen Büchermarkt herausgibt. Das Buch hat das Potenzial ein Erfolg zu werden.

Marzanna Die

 

Über den Autor:

Jacek Kozik, geboren im Jahr 1955 in Kattowitz Polen, hat die Kindheit und Jugend in Niederschlesien verbracht. Sein weiterer Weg führte Ihn nach Warschau, wo er Philosophie und Soziologie auf der Warschauer Universität studierte. Sein Debüt als Schriftsteller war 1982 in der Zeitschrift „Przeglad Tygodniowy“ (Wochenschau) mit einer Gedichtreihe. Sein erster Band mit Gedichten ist 1986 unter dem Titel „Tego nie kupisz“ (Das kannst du nicht kaufen) erschienen und wurde mit dem polnischen Stanislaw Pietak Preis prämiert. Weitere Veröffentlichungen folgten. Als Grundschul- und Gymnasiallehrer unterrichtete er Philosophie und Ethik und schrieb Fachartikel für „Edukacja Filozoficzna“ (Philosophische Bildung), Filozofia i Sztuka“ (Philosophie und Kunst) und „Filozofia w szkole“ (Philosophie in Schulen). 2016 ist sein erster Roman „Klatki“ auf dem polnischen Markt mit einer Auflage von 500 Exemplaren erschienen und ist bereits ausverkauft. Die zweite, überarbeitete Auflage, ist Anfang dieses Jahres erschienen ISBN 978-83-947524-0-8. Der Autor arbeitet bereits an der Fortsetzung.

 

Einige Lesermeinungen (Übersetzung ins Deutsche Marzanna Die)

„Das Buch ist genial! Zwingt zum Nachdenken!“

„Das ganze Wochenende habe ich mit lesen verbracht und jetzt sitze ich völlig fertig auf der Arbeit!“

„Was gab es Neues? KLARHEIT UND DIE KRAFT DER ERKENNTNISS!“

„1/3 des Buches am Stück durchgelesen, mein Pflaumenmuss ist angebrannt.“

„Ich beneide den Hauptprotagonisten um sein Wissen!“

„Ein Fest für meine Seele!“

„Empfehle ich jedem, der keine Angst hat zu denken.“

„Wirklich ein sehr interessantes Werk.“

Kommentar verfassen